Das Urteil hat sicherlich seine Gültigkeit, da ich von mehreren solchen Prozessen weis, die alle so ausgegangen ist. Und auch in teilgenommenen Schulungen wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass andere Verkehrsteilnehmer, die verbrauchsbedingt auf den Schienen stehen, diese nicht bei herannähern einer Straßenbahn freimachen müssen.
Was verstehst du unter "verbrauchsbedingt"? Der §28 Abs 2 StVO sagt klar aus, dass bei Herannahen eines Schienenfahrzeugs den Gleisbereich freizumachen ist,
wenn dies verkehrsbedingt möglich ist. Er verlangt nicht, dass ein Linksabbiege- oder Einparkmanöver abgebrochen werden muss.
Im konkreten Fall scheint die Frage zu sein, ob ein rechtzeitiges Verlassen des Gleisbreiches möglich gewesen wäre oder nicht. Der Fahrer des WLB-Zuges scheint dieser Ansicht gewesen zu sein, der PKW-Lenker nicht. Aber wenn ich als Fahrer eines Straßenbahnzuges vor mir einen PKW zum Linksabbiegen auf den Schienen sehe, verlangsame ich grundsätzlich meine Geschwindigkeit soweit, dass ich ggf. mein Fahrzeug rechtzeitig zum Stillstand bringen kann, weil ich nicht wissen kann, zu welchen Zeitpunkt es der PKW-Lenker als möglich erachten wird, sein Abbiegemanöver fortzusetzen (es könnte sich z.B. um einen Lenker handeln, der den Führerschein noch nicht sehr lange hat und daher länger braucht, eine Situation im Straßenverkehr richtig einzuschätzen). Einfach weiter zu fahren und sich darauf zu verlassen, dass der Gleisbereich bis zu meinem Eintreffen schon frei sein wird, ist m.M.n. fahrlässig.