Ich verfolge die Diskussion schon seit längerem und möchte diesbezüglich ein paar Sachen zu bedenken geben. Das Zielnetz 2040 ist ein strategisches Planungsdokument, in dem übergeordnete Zielvorstellungen für den österreichischen Eisenbahnverkehr festgehalten werden. Für ein strategisches Planungsdokument ist das Zielnetz 2040 schon reichlich detailliert mit konkreten Ausbauvorhaben und Maßnahmen. Grundsätzlich ist darin aber die der langfristigen Entwicklung der Bahn enthalten. Der Horizont ist ein langer und die Festlegungen sind hier in der Regel eher unkonkret. Sie dienen eher dazu, weitere nachfolgende Planungsprozesse anzustoßen oder zB Maßnahmen anzuregen, um die Planungen zu sichern (zB Trassenfreihaltungen).
Und da ist es natürlich spannend, wenn auf einmal eine neue Strecke wie die Hochleistungsstrecke Wels–Bayern auftaucht. Die ganzen detaillierten Postings zu Auslastung oder den Spekulationen wie lange Deutschland braucht, um den Anschluss zu schaffen, sind höchst spekulativ und für die strategischen Fragen, die hinter dem Zielnetz 2040 liegen, uninteressant. Denn die Festlegung auf diese Trasse in einem strategischen Dokument mit gewisser politischer Bindungswirkung ist ja erst ein erster Schritt, um weitere Schritte zu setzen. Das heißt, erst mit dieser politischen Willensbekundung kann ein weiterer (internationaler) Planungsprozess gestartet und können bilaterale Gespräche geführt werden. Die Folge kann dabei auch sein, dass sich diese Wünsche (und nichts anderes ist ein strategischer Plan) als nicht durchführbar herausstellen.
Das ist ein wichtiger Punkt. Es sollte ein strategisches Dokument sein, ist es aber in der Realität nicht. Ein strategisches Dokument sollte "Schwachstellen" und Ziele offenlegen, allenfalls ein paar denkbare Lösungsvarianten. Soll also heißen: Wo wird es warum zu Kapazitätsengpässen kommen? Welche Verkehrsrelationen sollen zB durch Beschleunigung verbessert werden, und wozu? Etc.
All das ist aber nicht geschehen - wie Du selbst schreibst, ist das Dokument sehr detailliert und listet extrem konkrete Projekte auf. Dann ist es aber umso mehr ein Fremdkörper, wenn eine einzelne Strecke völlig unvermittelt und sehr unkonkret aufscheint, *ohne* dass die strategischen Überlegungen dahinter offen gelegt werden.
Ich meine, das ist auch der Grund, warum hier und in anderen Foren so intensiv diskutiert wird.
Ich frage mich auch, was man mit den kolportierten zweieinhalb Stunden für Wien - München signalisieren bzw. erreichen will: Soll Linz - München oder gar Wien - München eine Tagespendler-Distanz werden? Auch so generiert man unnötiger Weise mehr Verkehr, auch wenn dieser auf der Bahn nicht ganz so umweltschädlich ist wie in der Luft oder auf Gummirädern.
Auch ein sehr guter Punkt. Mit Tagespendlern Wien - München im großen Stil rechne ich zwar nicht, aber man muss sich beim HGV-Verkehr schon immer die Frage stellen, was das Ziel ist. Ich halte es im mitteleuropäischen Kontext nach wie vor für wesentlich, dass man in den relevantesten Relationen von Haus zu Haus mit dem Zug schneller als mit dem Auto ist (also von Bahnhof zu Bahnhof dann deutlich schneller), um Verkehrsverlagerung zu erreichen. Dafür reichen zwischen Wien und München +/- 3 Stunden; während man nach Innsbruck auf 3h30 abzielen sollte und nach Vorarlberg auf 5-5h30.
Das Potential, das man vom Flugzeug auf die Bahn verlagern kann, ist in Wahrheit immer sehr gering und im Vergleich zum Verlagerungspotential vom Auto geradezu minimal. Also ja, du hast bis zu einem Punkt recht: mit solchen Ausbauten schafft man in Wirklichkeit einfach Mehrverkehr. Und verzerrt die Geographie, was auch nicht ganz ohne ist - sieht man gut in Frankreich und Spanien, was nicht an einer HGV-Strecke liegt, liegt auch demographisch und wirtschaftlich tendenziell am Abstellgleis.
EDIT:
Ein letztes, weil hier immer wieder geschrieben wurde, dass alles, was im Rahmenplan steht, "auf Schiene sei". Das ist leider nicht richtig; der Rahmenplan wird jährlich aktualisiert und das finanzielle Volumen hängt vom ebenfalls jährlich aktualisierten Bundesfinanzrahmengesetz ab. Wir haben 2024 Wahlen; wenn wir danach eine ferrophobe oder auch nur weniger ferrophile Regierung haben, kann der Rahmenplan ganz schnell anders aussehen. Wirklich fix sind nur Projekte, die dann schon in Umsetzung sind, die wird man wohl kaum mehr abblasen. Aber alles andere... kann man nur hoffen.